Abstracts

Melanie Gadringer
Urban Hacking als Strategie der Stadt(um)gestaltung

Der Vortrag bietet einen Überblick über die historischen Entwicklungen und künstlerischen Strategien des URBAN HACKING. Über die Figur des Hackers und der damit verbundenen Konzepte und Wirkungsräume wird eine schlüssige Verbindung zu Fragestellungen der Stadtgestaltung und der Umgestaltung urbaner Räume hergestellt. Anhand ausgewählter Beispiele werden Positionen vorgestellt, Traditionen bezeichnet und aktuelle Tendenzen umrissen.


GartenpiratInnen
Kunst, politischer Protest oder mainstreamkompatible, verwässerte Möchtegernsubkultur?

Der Begriff „GartenpiratInnen“ wird vielschichtig verwendet, er beschreibt Phänomene die kaum mehr gemeinsam haben als eine geheime Kannabisplantage in den Bergen und das Anpflanzen von Blumen in öffentlichen Beeten. Es gibt nicht eine verbindliche Definition, zumindest noch nicht. Der Begriff wird scheinbar für verschiedene Zwecke instrumentalisiert, angefangen beim Ausdruck politischer Botschaften, über Bewusstseinsbildung für Stadtverschönerungsprojekte, bis hin zu kommerzieller Werbung. Die Betrachtung verschiedener Definitionen führt zu einer Diskussion über öffentliche Räume – wer sie besitzt, wer ein Recht hat an ihrer Gestaltung teilzuhaben, wer die Pflicht hat sich um sie zu kümmern. Hier stellt sich nun eine andere Frage: Impliziert diese Diskussion automatisch dass Gartenpiraterie ein politischer Akt ist? Oder ist es möglich GartenpiratIn zu sein ohne irgendeine politische Aussage, einfach nur um etwas zu verschönern, aus sozialen Gründen, oder um des künstlerischen Ausdruck willens – also unabhängig von politischem Kontext und sozialer Kritik? Wie beeinflusst die politische und soziale Umgebung die Arbeit von GartenpiratInnen? Wie beeinflusst der Akt der Gartenpiraterie die ausführende GärtnerIn? Wer verwendet den Begriff und zu welchem Zweck? Wir werden uns einige Beispiele der Gartenpiraterie aus verschiedenen Teilen der Welt ansehen.


Johannes Grenzfurthner
The Medium Is The Mess-Up: Guerrilla Communications

Die Begriffe „Guerilla-Kommunikation” und “Kommunikationsguerilla” verweisen auf eine unkonventionelle Form der Kommunikation oder Interventionen in konventionellere Kommunikationsformen. Kommunikationsguerilla ist eine spezifische Art politischer Aktion, basierend auf genauer Beobachtung der Paradoxa und Absurditäten der Macht; diese werden als Ausgangspunkt für politische Interventionen verwendet, die mit Repräsentationen und Identitäten, mit Entfremdung und Überidentifikation spielt. Eine eher triviale Erkenntnis dient als Ausgangspunkt dieses Panels und dessen Reflexionen zur Kommunikationsguerilla: Sowohl Information als auch politische Bildung sind völlig nutzlos wenn niemand zuhören will. Guerilla-Kommunikation konzentriert sich, anders als andere Flugblätter, Broschüren, Slogans oder Transparente, nicht auf Argumente oder Fakten. Sie ist auf ihre Art und Weise militant, ist direkte Aktion innerhalb des Raums sozialer Kommunikation. Aber sie zielt nicht darauf ab, die Codes der Macht und die Symbole der Herrschaft zu zerstören. Sie zieht es vor, dem omnipotenten Gerade der Macht zu begegnen indem sie dessen Bedeutung entstellt und verzerrt. Aber was ist daran neu? Nichts. Doch die Kommunikationsguerilla steht ganz bewusst auf den Schultern der alten Avantgarde; weder beansprucht sie eine neue Politik erfunden, noch eine neue Bewegung begründet zu haben. Sie ist nur die Fortsetzung der beständigen Erforschung des Dschungels der Kommunikationsprozesse, der verschlungenen und matschigen Pfade von SenderIn, Code und EmpfängerIn. Das Ziel ist eine praktische, materielle Kritik der Kommunikationsstruktur als Basis von Macht und Herrschaft selbst.


Tina Lorenz
Sex and the City: Urbanisierung und die „Öffentliche Frau“ im New York des 19. Jahrhunderts

Das Ende des 19. Jahrhunderts sah einen Zuzug von Menschen nach New York in einem bisher unbekannten Ausmaß und als Konsequenz daraus großangelegte Maßnahmen diese Menschenmassen unterzubringen und zu kontrollieren. Stadtverschönerungsprojekte, neue Designs für Wohnblöcke und öffentliche Hygienekampagnen versuchten die unerträglichen Lebensbedingungen, welche die Urbanisierung verursacht hatte, zu gestalten und, im wörtlichen Sinn, in Ordnung zu bringen. Eine der Gruppen die am meisten unter den fast schon panischen Versuchen der Behörden lit, das zu kontrollieren oder zu unterdrücken, was  der gängigen Ordnung nicht entsprach war die Klasse der „öffentlichen Frauen“, der Sexarbeiterinnen: Obwohl ihre Dienste stark nachgefragt waren, wurden ihr Dasein und ihre Arbeitsbedingungen unpassend für eine wachsende Metropole und daher als der Regulierung und Überwachung bedürftig erachtet – wodurch Sexarbeit auf urbanen Plätzen gleichzeitig riskanter und sicherer wurde. Da Sexarbeiterinnen früher als „öffentliche Frauen“ definiert wurden, erscheint es mir passend ihre Rolle für die öffentlichen Plätze der Stadt ebenso zu untersuchen wie die Art und Weise in der ihre Arbeit alle Versuche unterminierte etwas zu steuern bzw. zu domestizieren was zu kontrollieren nie ganz in der Macht der Behörden lag.


moot
Meme Factory


Oft als “Mem-Fabrik” bezeichnet ist 4chan bekannt für das Erschaffen und Verbreiten viraler Inhalte im Netz. In diesem Vortrag werden wir uns die Faktoren ansehen die zu 4chans Erfolg als Brutgebiet für Meme beitragen.


Thomas Northoff
WortGraffiti: Texturen inoffizieller Botschaften im Öffentlichen Raum

WortGraffiti als Artefakte einer kommunikativen Praktik, nämlich des Schreibens, sind prinzipiell an jeder beschriftbaren Fläche des Öffentlichen Raums vorzufindende Zeichen und Zeichensysteme. Die Wahl ihrer Platzierung ist dabei selten eine zufällige. Versteht man sie als Mittler zu Subjekten, ist hinsichtlich einer Definition dieser Objektivationen die Frage entscheidend, ob es nicht statt der Graffiti die sie herstellenden Subjekte sind, die den wichtigeren Forschungs-Gegenstand darstellen. Die Erkenntnisse aus der Interpretation ihrer Graffiti bringen Kontexte und Vorgänge an die Oberfläche, welche mitunter zutiefst im Inneren von Personen, Gruppen oder letztlich ganzer kulturell geprägter Gesellschaften verankert sind.


Kerstin Ohler
cODE wRITING. Über das (künstliche) Schreiben.

Literarischem Schreiben wird seit jeher ein (im jeweiligen Fall zu bestimmendes) künstlerisches Bestreben unterstellt. Nüchtern betrachtet bringt der Autor ein bestimmtes Inventar von Zeichen in eine richtige Reihenfolge und der Leser versucht, die Nachricht, die ihm übermittelt wird, auf mehreren Ebenen und je nach Gebrauchsintention zu entschlüsseln. Der Versuch, Software zu schreiben, zu optimieren oder auch zu boykottieren ähnelt dem literarischen Schreibprozess in großem Maße. Hacken als Kunst ist nicht nur als Aussage in einer subkulturell definierten Parallelwelt zu verstehen. Offensichtlich äußert sich für den Literaturwissenschafter der Zusammenhang bspw. in der Softwarekunst, wie sie z. B. Florian Cramer beschreibt. Was aber, wenn man sich als Geisteswissenschafter noch weiter in technische Tiefen abseilt und den Schreibprozess von Softwareentwicklern, Programmierern und Codern denen von Buchautoren gegenüberstellt? Welche Gemeinsamkeiten können festgemacht werden? Gibt es so etwas wie eine Wechselbeziehung? Es wird in dem Vortrag weniger um den Versuch einer genauen Definitionsbestimmung zu den angesprochenen Bereichen gehen als vielmehr darum, neue Blickwinkel für Geistes-/Kulturwissenschafter zu öffnen, die einen verpönten und/oder verängstigten Blick in Richtung Technik werfen möchten. Die multidisziplinäre Arbeitsweise der Komparatistik soll ständig um Felder erweitert werden, die über intra- und intermediale Vergleiche hinausgehen. Nur so können neue Wege und Fragestellungen entwickelt werden, die die Analysemöglichkeiten des Forschungsgegenstandes erweitern können.


Bonni Rambatan
Spandrel Evolution: Emergent Spaces of Resistance in the 21st Century

Die Geschichte urbanen Hackings ist immer auch die Geschichte der Reappropriation in Erscheinung tretender Räume. Der Vortrag wird zunächst eine kurze theoretische Einführung in das Konzept der Spandrillen und der Multitude (Hardt und Negri) geben, um danach den Versuch zu starten, die Entwicklung von Räumen des Wiederstands mit Hilfe von Technik zu untersuchen. Schließen wird diese Präsentation mit einigen Überlegungen zu den Möglichkeiten und Herausforderungen, die sich diesen Orten bieten. Also, einfach gesagt ist dieser Vortrag ein Versuch Licht in das Dunkel folgender Frage zu bringen: „Wie agieren wir in den Räumen des 21. Jahrhunderts?“


Bohdan Shumylovych
Lenin as major urban hacker in Lviv

Der Vortrag beschäftigt sich mit der Absenz des URBAN HACKING in Lviv, einer Stadt reich an urbaner Geschichte. Der Höhepunkt des Aktivismus im öffentlichen Raum waren die Errichtung und die Zerstörung des Lenin-Monuments vor der Oper. Obwohl es als negativ wahrgenommen wurde, hat es doch einen neuen urbanen Ort geschaffen an dem sich Menschen trafen und interagierten. Aber obgleich dieser Platz zur Ausbildung sozialer Praktiken beigetragen hat, wird er doch nicht Gegenstand künstlerischen Aktivismus’. Warum?


Thomas Thurner
Postgeneral a.D. Josef Sindelka: „Das gefährliche im Äther ist, wenn
jemand sendet!“ – oder wie in Österreich der Underground das
Rundfunkmonopol knackte.

Es ist heute kaum mehr vorstellbar. Doch vor wenigen Jahren musste mediale
Öffentlichkeit - ja das Medium selbst - radikal erkämpft werden. In der Zeit vor dem Internet, dem Social Web, den Youtubes, Myspaces und Facebooks war die Verfügbarkeit eines Mediums ein politisches Instrument. Jahrzehntelang konnten Staat, Kommerz und Establishment dieses Instrument alleinig für sich nutzen. Der verfassungsmäßigen Meinungs- und Medienfreiheit stand Anfang der 90er Jahre ein wohlaufgeteiltes Medienestablishment entgegen, das den Grundrechten auf Meinungsvielfalt mit einer real existierenden Meinungsmafia begegnete. Zivilgesellschaftlicher Zugang zu diesem monolithischen Mediengefüge schien unmöglich. Wie zuvor bei den besetzten Häusern und erkämpften Kulturzentren kam der Impuls für eine Erneuerung aus dem Subkulturellen Bereich': dem damals sogenannten Underground! Eine Allianz von Autonomen, Linken, Musikmachenden, Theaterleuten, Emmanzen, TräumerInnen, StudentInnen, Desperados und Radikalen machte sich auf einen Teil der untragbar gewordenen österreichischen Mediensteinzeit zu modernisieren: Piratenradio, Freies Senden, Zivilgesellschaftliche Mediennutzung! Das Referat von Radiopionier Thomas Thurner zeigt auf, mit welchen Mitteln und unter welchen Bedingungen mediale Freiräume, im Ringen mit Verwaltung, Politik, Establishment, Polizei, Medienmacht, Geheimpolizei auf der einen Seite und den Problemen eines zielgerichteten Vorgehens inmitten der Heterogenität des zivilgesellschaftlichen Sektors andererseits, geschaffen
wurden.


Charlie Todd
Causing a Scene with Improv Everywhere

Die in New York ansässigen Improv Everywhere haben über 85 Missionen des Chaos und der Freude an öffentlichen Orten rund um die Welt ausgeführt. Die Gruppe ist online entsprechend erfolgreich mit über 70 Millionen Besuchen, allein auf YouTube. Berichtet über sie wurde bereits in der New York Times, This American Life (sowohl Radio als auch TV), The Today Show, 20/20, ABC, World News Tonight und dem Rolling Stone – um nur einige zu nennen. Der Improv Everywhere Gründer wird die Arbeit der Gruppe näher beleuchten, Videos zeigen und Geschichten davon erzählen wie alles begann.


Annett Zinsmeister
urban hacking – an artist strategy

Mit „hacking“ assoziieren wir gemeinhin das unautorisierte Eindringen in Software. Die Tätigkeit und Geisteshaltung eines Hackers ist aber nicht an die Softwarehacker-Kultur gebunden, aus der heraus sich der gebräuchliche Umgang mit diesem Begriff etabliert hat. Eine KünstlerIn kann die Strategie des hacking in völlig anderen Bereichen anwenden. Hacking ist eine Tätigkeit, die sich auf Konstruktionen im Allgemeinen und auf Architektur im Besonderen bezieht, erst recht dann, wenn von „URBAN HACKING die Rede ist. Der Vortrag zeigt beispielhaft, wie man als KünstlerIn urbane und architektonische Strukturen oder Codes zerlegen und auf veränderte Weise neu zusammen bauen kann; wie urbane Raumelemente virtuellen Raum konstituieren und wie virtuelle Raumelemente reale Räume transformieren.